In den ersten drei Monate des Jahres stand das Archiv im Mittelpunkt. Papiere, die seit der Gründung der AHS (1982) angehäuft worden waren, wurden nach „Vernichten oder Verschenken“ sortiert, und unabhängig von diesen beiden Kategorien wurde alles historisch Interessante, zeitgeschichtlich Typische, seelisch Ergreifende oder auch Lustige eingescannt, digitalisiert und thematisch geordnet – unter Vermeidung der Namen/Adressen von Privatpersonen! Das digitale Archiv steht den Vorstandsmitgliedern nun für Such-Anfragen zur Verfügung – Anfragen zunächst von Mitgliedern, später hoffentlich auch von externen Wissenschaftlern.

Wenn Sie selbst sich um den späteren Verbleib Ihrer Sammlung zum Thema sexuelle Selbstbestimmung/Emanzipation sorgen, melden Sie sich bitte! Die AHS selbst hat zwar nur begrenzt Platz und Zeit, wird aber das Problem „Umgang mit Geschichte“ weiter verfolgen. Vielleicht eignet sich Ihr Material auch für das Schwule Museum in Berlin (Dr. Jens Dobler).

Die Sortier-Arbeit war sehr lehrreich für die Selbst-Verortung der AHS. Ja, damals in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es Bewegungen, die auf die eine oder andere Weise mit der sexuellen Selbstbestimmung befasst waren. So fand um 1982 in Gestalt der AHS auch eine kleine Gruppe zueinander mit dem Gedanken, die sexuelle Selbstbestimmung „als solche“ zu thematisieren, wo immer sie gefährdet schien – ohne die Fixierung auf feministische, schwul/lesbische oder eheberaterische Belange.

Von den Papieren, die die AHS in den ersten Jahren erarbeitete und anbot, wurden vor allem die Texte zu Gewalt-Ursachen und Gewalt-Prävention stark nachgefragt – durch Parteien, Behörden, Institutionen, Beratungsstellen und Diplomarbeiten-VerfasserInnen (es gab ja noch kein Internet). Das Statement „gegen die Gewalt“ einte uns alle – doch die AHS konnte nicht immer dieses eine Thema bearbeiten – sie war keine Schulungsstätte für Sozialarbeiter(innen) oder schlagende Ehemänner! Deshalb wandten sich nach der ersten Begeisterung viele (vor allem weibliche) Mitglieder wieder vom Verein ab. Die AHS konnte aber nach diesem erfolgreichen Einstieg noch einige Jahre lang bei politischen und juristischen Körperschaften beratend mitwirken, wann immer es um die sexuelle Selbstbestimmung ging.

Dann stieß die Möglichkeit der beratende Mitwirkung an ihre Grenzen. Es fehlte in der Gesellschaft offenbar an Wissen über die psychosexuelle Entwicklung des Menschen. Wir brauchen eine unabhängige Sexualforschung und, wo nötig, eine Therapie, die auf Wissen basiert. Da bekam die AHS ein Problem, denn „Wissenschaft“ kann man nicht, wie frühere Aktivitäten des Vereins, einfach durch demokratische Mitsprache aller betreiben. Wissenschaft erfordert Experten – und vor allem Institutionen, die einen Experten beauftragen zu forschen. So kam es, dass die AHS sich einige Jahre recht ruhig und oft ratlos verhielt. Inzwischen ist der Verein jedoch in der glücklichen Lage, zumindest „im Kleinen“ Wissenschaft und Therapie zu unterstützen, auch finanziell. (Mehr darüber auf Anfrage oder bei der nächsten Mitgliederversammlung.)

Zu einem geplanten Expertengespräch haben zwei hochkarätige Wissenschaftler ihr Kommen zugesagt: Kurt Seikowski (Leipzig) und Bruce Rind (USA). Zwei Themenschwerpunkte sind bereits bekannt: Vorurteilsforschung und Pornographie/Internetsucht. Die Vorträge und anschließenden Gespräche versprechen spannend zu werden. Auch Sie sind herzlich eingeladen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die AHS nicht öffentlich einladen kann, weil der Verein „Hass-Mails“ bekommen hat. Interessierte Nichtmitglieder werden gebeten, sich voranzumelden, um dann gegebenenfalls Zeit und Ort zu erfragen. Mitglieder und Freunde erhalten automatisch eine schriftliche Einladung.

Marianne Bayer