Offener Brief an NRW-Innenminister Reul

Sehr geehrter Herr Innenminister Reul,

Sie hatten am 30. Mai 2022 in einer Pressekonferenz zu den Ermittlungen im aktuellen Missbrauchsfall in Wermelskirchen gesprochen [1].

Wir von der Selbsthilfegruppe Arbeitsgemeinschaft Pädophilie Düsseldorf (AGPD) sind wie Sie schockiert über die aktuellen Funde in Wermelskirchen. Jedoch beobachten wir auch mit Sorge Ihre Aussagen während der Pressekonferenz. Dort sagten Sie in übelster Stammtischmanier: „Und ich kann allen Pädophilen nur sagen: Wir kriegen euch. Vielleicht nicht heute, aber eines Tages stehen wir vor eurer Tür!“ [2], [3]

Diese Worte grenzen an Volksverhetzung. Sie maßen sich an, allen pädophilen Männern und Frauen in unserem Land, unabhängig von strafbarem Verhalten, Verfolgung anzudrohen. Gerade Sie als Innenminister sollten wissen, dass Pädophilie keinesfalls mit sexuellen Kindesmissbrauch gleichzusetzen ist. Das hat sich schon bis in die Boulevardpresse herumgesprochen [4], wird aber von Ihrer Behörde beharrlich ignoriert.

Das Präventionsnetzwerk „Kein Täter Werden“ schreibt dazu auch, „Die Mehrheit des sexuellen Kindesmissbrauchs geht von Menschen aus, die eigentlich sexuell auf erwachsene Sexualpartner ausgerichtet sind. Nur die Minderheit der Taten gehen auf eine pädophile Motivation zurück“ [5].

Sadistische hetero- und homosexuelle Menschen klammern Sie vollkommen in Ihrer Pressekonferenz aus. Sie behaupten weiter, „Dieser Mann hat offenbar Listen mit weiteren Pädophilen erstellt.“ [6] und vermitteln damit den Eindruck in der Gesellschaft, dass solche Taten nur von Pädophilen begangen würden.

Schätzungsweise leben in Deutschland 250.000 bis 300.000 pädophile Männer und Frauen. Keiner von ihnen hat es sich ausgesucht, pädophil zu sein. Pädophil zu sein bedeutet nicht, zum Täter zu werden. Viele Teilnehmer unserer Selbsthilfegruppe leiden unter einer mittelgradigen bis schweren Depression. Regelmäßig ist das Stigma der Grund für ihre Ängste und Sorgen. Unser Ziel ist es daher grundsätzlich, die Lebenssituation von Pädophilen zu verbessern, die meist unter Isolation und Ausgrenzung leiden. Betroffene sollen die Möglichkeit erhalten, andere Pädophile kennen zu lernen, Erfahrungen mit ihnen auszutauschen und die Isolation zu durchbrechen.

Ihre Worte übernehmen unreflektiert das negative Bild von Pädophilen in unserer Gesellschaft, die weiter aufgehetzt wird, pädophile Menschen zu ächten und auszugrenzen. Pädophob motiviertes Lynchverhalten wird vorsätzlich von Ihnen gefördert, wie z.B. die Jagd auf Pädophile durch sogenannte „Pedo Hunter“, deren Handeln oft die Grenze zur Strafbarkeit überschreitet.

Aus der begründeten Angst heraus, von Ihresgleichen verfolgt zu werden, auch wenn man keine Straftaten begeht, werden Menschen, die eigentlich Hilfe brauchen, dazu veranlasst, sich noch weiter zu isolieren.

Es wäre zu begrüßen, wenn Ihr Eifer sich künftig nicht nur selektiv durch populistisches Getöse äußern würde: Einer Ihrer Amtsvorgänger, Herr Dr. Ingo Wolf, weigerte sich, Konsequenzen zu ziehen, nachdem gerichtlich bekannt wurde, dass ein Polizeibeamter erst fleißig Kinderpornos verbreitete, um dann zu behaupten, er hätte damit Pädophile zu Straftaten verlocken wollen. Eine Strafanzeige aus der AGPD diesbezüglich blieb folgenlos für den Täter.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hermann B., Jonas F.

Quellen:

  1. https://www.youtube.com/watch?v=6MeoZDByESA
  2. https://youtu.be/6MeoZDByESA?t=333
  3. https://www.stern.de/panorama/stern-crime/wermelskirchen–babysitter-missbraucht-kinder—-neue-dimension-der-brutalitaet–31908160.html
  4. https://www.n-tv.de/politik/Mit-Ashton-Kutcher-in-die-Totalueberwachung-article23329696.html
  5. https://www.kein-taeter-werden.de/faq-items/sexueller-kindesmissbrauch/
  6. https://youtu.be/6MeoZDByESA?t=71