Selbsthilfegruppen Pädophiler sind keine kriminellen Vereinigungen
– AHS zu den Münchener Vorgängen –

Die Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität e. V. (AHS) als ein Verein, der sich seit über 20 Jahren sexualpolitisch zu Wort meldet, ist entsetzt über die Unterstellungen, die nach Festnahme einiger Personen in München gegen pädophile Selbsthilfegruppen losgetreten worden sind.

Pädophile Selbsthilfegruppen sind keine Entwicklung der letzten Jahren, sie existieren schon lange, die Münchener Selbsthilfegruppe existiert seit 1979. In diesen 24 Jahren der Existenz hat es bislang niemals polizeiliche Ermittlungen gegen diese Gruppe gegeben, die zu einem Strafverfahren geführt haben. Die Münchener Selbsthilfegruppe ist stets auf strikte Legalität bedacht gewesen. Ziel der Gruppe ist es, Betroffenen eine Möglichkeit zu geben, ihre Sorgen und Nöte miteinander auszutauschen und ihnen zu verstehen zu geben, dass sie mit ihrer Neigung und den damit verbundenen Problemen nicht allein sind. Aufgabe der Gruppe ist es, den Teilnehmern Selbstvertrauen zu vermitteln, damit diese in der Lage sind, ihr eigenes Verhalten selbstkritisch zu reflektieren, was letztlich auch dem Kinderschutz zu Gute kommt. Sämtliche Selbsthilfegruppen, die zur bundesweiten AG-Pädo zusammengeschlossen sind, richten ihre Arbeit an der Selbstdarstellung der AG-Pädo aus, die ebenfalls betont, dass sämtliche Aktivitäten der Gruppen sich im legalen Raum zu bewegen haben. In den Selbsthilfegruppen finden daher selbstverständlich keine strafbaren Handlungen statt, es werden selbstverständlich auch keine Kinderkontakte vermittelt. Leider wird dies auf Grund einer unklaren und missverständlichen Pressemitteilung des Polizeipräsidiums München vielfach falsch dargestellt. Wir betonen in diesem Zusammenhang auch, dass die von den Polizeiaktionen der letzten Woche betroffenen Personen nur zum Teil an Selbsthilfegruppensitzungen teilgenommen haben und dass mehrere seinerzeit vorläufig Festgenommene inzwischen wieder auf freiem Fuß sind. In diesem Zusammenhang ruft die AHS auch zu einer Berichterstattung unter Beachtung der in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) niedergelegten Unschuldsvermutung auf. Es ist nicht hinnehmbar, dass zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keinerlei Ermittlungsergebnisse feststehen, bereits mediale Vorverurteilungen der Betroffenen als vermeintliche „Kinderschänder“ stattfinden.

Auch der Arbeitskreis Sexualstrafrecht der Humanistischen Union, der ältesten Bürgerrechtsorganisation Deutschlands, hat sich bereits 1998, als es zu ähnlich unqualifizierten Angriffen wie heute kam, hinter pädophile Selbsthilfegruppen gestellt. Der Arbeitskreis Sexualstrafrecht der Humanistischen Union äußerte seinerzeit mit Erklärung vom 17. Oktober 1998:

„Die Bezeichnung der Mitglieder der AG-Pädophilie, Fachgruppe der AHS und der regionalen Selbsthilfegruppen als „Pädokriminelle“ entbehrt jeglicher Grundlage. Die Gruppen verfolgen nach ihrer erklärten Absicht keinerlei kriminelle Aktivität. Das Ziel der Selbsthilfegruppen ist es, pädophilen Menschen eine Plattform zu geben, auf der sie über ihre Ängste und Nöte diskutieren können. Sie tragen mit dazu bei, das Selbstwertgefühl pädophiler Menschen zu erhöhen und geben ihnen die Möglichkeit, gemeinsam ihr Verhalten zu reflektieren. Daher dienen diese Selbsthilfegruppen auch dem Kinderschutz, was im öffentlichern Interesse der Gesellschaft liegt. Sie dürfen daher nicht diskriminiert werden.“

Diese Erklärung ist heute so aktuell wie damals, ihr ist nichts weiter hinzuzufügen, da sich am Konzept der Selbsthilfearbeit nichts verändert hat. Dass der ein- oder andere Gruppenteilnehmer sich außerhalb der Gruppensitzungen und ohne Zusammenhang mit der Gruppenarbeit illegal verhält, kann natürlich auch die Selbsthilfegruppe nicht völlig ausschließen. Dann aber, so wie es jetzt in München geschehen ist, der Selbsthilfegruppe selbst eine Tätigkeit als kriminelle Vereinigung nachzusagen, ist unseriös und entbehrt jeglicher Grundlage. Es sei hier der Vergleich mit Selbsthilfegruppen Drogenabhängiger erlaubt: Auch bei den Teilnehmern einer solchen Gruppe wird niemand ausschließen können, dass einzelne Teilnehmer außerhalb der Gruppensitzungen Straftaten begehen. Dennoch werden Drogenselbsthilfegruppen als nützlich für die Betroffenen und die Gesellschaft angesehen und stellen selbstverständlich keine kriminellen Vereinigungen dar. Nicht anders verhält es sich hinsichtlich pädophiler Selbsthilfegruppen, die auf Basis des Selbsthilfekonzeptes der AG-Pädo arbeiten.

Rückfragen bitte per EMail an ahs-online@gmx.de