Tagung

DER ARBEITSGEMEINSCHAFT HUMANE SEXUALITÄT (AHS)

ZUM THEMA
STIGMA

IM MAI 2018 in DÜSSELDORF

In einer Zeit, in der sexuelle Denunziation als nachahmenswertes Verhalten gilt, das sich „viral“, wie es heute so schön heißt, ausbreitet, ist die Vermittlung der Einsicht, dass Sexualität eine positive Kraft im Leben jedes Menschen ist, besonders schwierig.
Ausgrenzung, Pathologisierung und Eliminierung von Empfindungen, die als abweichend definiert werden – auch ganz ohne abweichendes Verhalten! – nehmen ein Ausmaß an, in dem die Stigmatisierung buchstäblich jeden treffen kann. Mit voyeuristischer Lust verfolgt die Öffentlichkeit die Erledigung derer, auf die man immer schon heimlich neidisch war.

Als ersten Programmpunkt präsentierten zwei Mitarbeiter des Netzwerks „Kein Täter werden“ den Film „Stigma“, ein Dialog zwischen einem gealterten Mann, der vor vielen Jahren sexuelle Übergriffe gegen seine Tochter begangen hatte, und einem Therapeuten. Der Mann wird als Mensch gezeigt und nicht als Monster. Er setzt sich bewusst mit seiner Vergangenheit auseinander und es fällt ihm schwer, sich selbst zu verzeihen.
In der Diskussion danach wurde von vielen Teilnehmern vermutet, dass er durch die Tabuisierung seiner Empfindungen schon früh in eine emotionale Sackgasse geraten war, aus der er auch später nicht mehr herauskam. Der Film wirkt, als ob er auch später keinen Weg mehr heraus fand. Um so bedauerlicher, dass der Film auf einem real stattgefundenen Therapiegespräch basiert.

Nach der Pause ging es weiter mit einer Welt-Uraufführung: Der Film „Stigma“, mit minimalem Budget aber professionellem Ergebnis von Teilnehmern der AGPD produziert, stellte einen Mädchenliebhaber vor, der seine Gefühle gut in den Alltag integrieren kann. Er arbeitete beruflich und privat mit Kindern, bis er sich durch ein unbedachtes Outing angreifbar machte und von Ermittlungen, die letztlich ergebnislos blieben, sozial entwurzelt und isoliert wurde. Am Schluss entscheidet er sich, sein Leben wieder selbst zu bestimmen und sich eine neue Existenz aufzubauen.
Der Film ließ vereinzelt sogar Tränen fließen und wurde auch von den KTW-Mitarbeitern gelobt. Wir hoffen, dass er künftig im Rahmen von Veranstaltungen noch öfter gezeigt wird.
Die Besprechung im Anschluss zeigte, dass alle Teilnehmer durch diesen Film einen zutreffenden Eindruck von der Stigmatisierung erhalten haben, die jedem droht.

Letzter Programmpunkt war der Vortrag eines Psychologen „Die sexualisierte Gesellschaft im christlichen Westen.“
Er stellte dar, dass durch die Isolation und gesonderte Bewertung von allem Sexuellen die Verteufelung des Sexuellen in früheren Zeiten und dessen Verherrlichung in scheinbar aufgeklärteren Zeiten dieselbe Wurzel haben, aus der auch die heutige Dämonisierung entspringt, die wieder um sich greift und zur Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschengruppen führt.

Diese Veranstaltung war aus der Sicht aller Teilnehmer ein voller Erfolg. Wir werden auch in künftigen Tagungen dazu beitragen, dass das Thema Sexualität außerhalb der beschränkten Perspektive der Massenmedien wieder wahrgenommen wird.
Zum ersten Mal fand eine AHS-Fachagung im Frühjahr statt. Das soll in den kommenden Jahren so fortgesetzt werden.
H.B.