AHS warnt vor Schnellschüssen und Hysterie
– Zum strafrechtlichen Umgang mit Kinderpornografie –

Die Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität e. V. (AHS) als Verein, der sich seit über 20 Jahren sexualpolitisch zu Wort meldet, ruft nach der bislang größten deutschen Polizeiaktion gegen Kinderpornografie zu Ruhe und Sachlichkeit auf. Die AHS hält es für verfehlt, bereits wenige Tage nach Durchführung der Polizeiaktion und während eines laufenden Gesetzgebungsverfahrens weitere Strafrechtsverschärfungen zu fordern, wie dies mehrere Landesjustizminister sowie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) getan haben. Strafrechtspolitik darf nicht aus emotinonaler Aufregung über tagesaktuelle Ereignisse reagieren, vielmehr muss sie sachlich fundiert und mit wissenschaftlichem Hintergrund handeln. Dies aber erfordert zeitlichen und emotionalen Abstand von spektakulären Ereignissen.

Darüber hinaus mahnt die AHS zu Sachlichkeit, Differenzierung und objektiver Berichterstattung. Es ist bedauerlich, dass in Tageszeitungen unterschiedlichster politischer Couleur bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die sichergestellten Materialien noch gar nicht ansatzweise vollständig durchgesehen werden konnten, voreilig Schlussfolgerungen getroffen werden. So veröffentlichte u.a. die Frankfurter Rundschau (FR) am 30.09.2003 ein dpa-Bild, das einen Polizeibeamten vor einer Zusammenstellung beschlagnahmter Materialien zeigt und versah es mit dem Untertitel „Schlag gegen Kinderpornografie“. Bei den dargestellten beschlagnahmten Materialien handelt es sich u.a. um das Buch „Grünkram“, eine Veröffentlichung des Polizeipsychologen Adolf Gallwitz über Kinderpornografie, das dahinter stehende Buch „Innerlich fremd“ ist ein Roman über das Coming-Out eines schwulen Jugendlichen, beide Bücher stehen somit nicht ansatzweise unter Pornografieverdacht; man fragt sich, warum derartige Bücher überhaupt beschlagnahmt wurden und solche offensichtlichen Fehler auch Journalisten nicht auffallen.

Einige strafrechtspolitische Forderungen zeigen zudem, dass in der Emotionalität nicht nur Medien, sondern auch Juristen jegliches Augenmaß verloren haben: Ebenfalls in der FR vom 30.09.2003 äußerte der mit den Ermittlungen befasste Oberstaatsanwalt Peter Vogt, die gefundenen Bilder stellten „von FKK-Bildern bis zur Vergewaltigung eines vier Monate alten Säuglings“ größtenteils Aufnahmen missbrauchter Jungen dar, in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 28.09.03 erklärte der Hessische Justizminister Dr. Christean Wagner (CDU), das Herunterladen von Nacktbildern von Kindern sei kein Kavalliersdelikt. Es stimmt sehr nachdenklich – und stellt zudem eine Verharmlosung tatsächlicher Gewaltbilder dar -, wenn gerade Juristen, die auf Grund ihrer Ausbildung zur Differenzierung in der Lage sein sollten, FKK-Aufnahmen und Gewaltpornografie in einem Atemzug nennen. Nacktbilder als solche stellen selbstverständlich keine Pornografie dar und die AHS hatte bislang gehofft, dass die Zeiten, in denen Nacktheit generell als anrüchig angesehen wird, vorbei sind. Ebenso erscheint die Forderung des sachsen-anhaltinischen Justizministers Curt Becker (CDU), die Altersgrenze, bis zu der Pornografie als Kinderpornografie anzusehen ist, auf 18 Jahre heraufzusetzen, bei genauerer Betrachtung abwegig, hätte sie doch zur Folge, dass entsprechende private Aufnahmen eines z. B. 17jährigen Beziehungspartners als Besitzverschaffen von Kinderpornografie mit einer Haftstrafe belegt wären. Dies kann wohl kaum ernsthaft als richtig angesehen werden.

Abschließend fordert die AHS Fachleute und Medien eindringlich auf, ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gerecht zu werden und sachlich mit dem Thema umzugehen, anstatt zu einem Zeitpunkt emotionaler Aufregung Schnellschüsse in die Öffentlichkeit zu werfen.

Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität e. V. (AHS)